Fortsetzung von:

<link _blank>Zentralbanken und Zentralbankgeld

<link _blank>Münzgeld – Schlagschatz - Seignorage

Der Begriff M1 bezeichnet die Geldmenge der Zahlungsmittel, die von Nichtbanken zur Zahlung verwendet werden können. Zur Abgrenzung sei noch einmal die Geldmenge M0 erwähnt: Diese Geldmenge setzt sich zusammen aus dem Zentralbank-Giralgeld, welches MFIs untereinander zur Zahlung benutzen, den Bargeld-Kassenbeständen der MFIs und dem Bargeld, dass sich physisch im Besitz der Nicht-MFIs befindet. Die Besonderheiten des Münzgeldes wurden bereits im Artikel „Münzgeld – Schlagschatz – Seignorage“ beschrieben.

Monetäre Finanzinstitute (MFIs) sind Banken aller Art, darunter fallen sowohl Geschäftsbanken als auch Investmentbanken. Im folgenden wird einfach von Banken gesprochen.

Nicht-MFIs sind Personen, Unternehmen, Stiftungen, öffentlich rechtliche Institutionen und alle Arten juristischer Personen.

Doch zunächst die Definition von M1:

Bargeldumlauf (ohne Kassenbestände der monetären Finanzinstitute (MFIs) plus Giralgeld (auch als „täglich fällige Einlagen“ bezeichnet)  der Nicht-MFIs.

Es sei darauf hingewiesen, dass nur das Bargeld zu M1 zählt, welches sich außerhalb der Banken befindet, also von Nichtbanken gehalten wird. Die Kassenbestände der MFIs zählen nicht zur Geldmenge M1. Die Begrifflichkeit „täglich fällige Einlagen“ ist eine im heutigen Geldsystem unglücklich gewählte Bezeichnung, die noch aus der Zeit stammt, als Girokonten unbekannt und Bargeld vom Staat in Umlauf gebracht wurde. Heutzutage können „täglich fällige Einlagen“ ganz ohne vorherige Bareinzahlungen entstehen, was im weiteren Verlauf dieser Artikelserie aufgezeigt wird.

Der heutzutage nicht mehr vollständig zutreffende Terminus „täglich fällige Einlagen“ wird deshalb durch das treffendere Wort „Giralgeld“ ersetzt.

Abb.1: Die Geldmenge M0 und M1

 

Bargeld  findet sich in beiden Geldmengen wieder. Es gehört sowohl zu M0 als auch zu M1.

Die Entstehung von Giralgeld

Wird Bargeld bei einer Bank auf ein Girokonto eingezahlt, entsteht Giralgeld. Da Bargeld in den Kassen der Banken nicht zu M1 gehört, bleibt die Geldmenge M1 durch Ein- und Auszahlungen unverändert.

Könnte Giralgeld nur durch vorherige Einzahlungen von Bargeld entstehen,

wäre es demnach nicht möglich, die Geldmenge M1 auszuweiten. Die Geldmenge M1 wäre stets konstant.

Ein Wachsen der Geldmenge M1 wäre also nur durch eine zusätzliche Erhöhung des Bargeldbestandes durch die Zentralbank möglich. Um M1 zu erhöhen, müsste Bargeld von der Zentralbank direkt in den Geldkreislauf der Nichtbanken (z.B. über eine direkte Kreditvergabe an den Staat oder Nichtbanken) eingespeist werden.

Am 1. Januar 1994 trat im Zuge der zweiten Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion ein Gesetz in Kraft, dass die Gewährung von Zentralbankkrediten an die öffentliche Hand verbot. Eine Kreditvergabe der Zentralbanken an Staaten (Nichtbanken) ist seit diesem Datum nicht mehr erlaubt. Bargeld darf seit dem nur noch an Banken herausgegeben werden.

Vor 1994 war die Geldversorgung des Staates (Direktkredite von der Zentralbank an den Staat) auf 4 Mrd. DM pro Jahr begrenzt. Bis zu diesem Zeitpunkt stellte die Deutsche Bundesbank der Bundesrepublik Deutschland in den Jahren seit 1948 insgesamt ca. 46 Mrd. DM (~ ca. 23 Mrd. Euro) als Kredit zur Verfügung. In der Bilanz der Bundesbank für das Jahr 2009 finden sich unter dem Posten „Forderungen an den Bund“ nur noch 4,44 Mrd. Euro: Ein verschwindend geringer Betrag im Vergleich zur Bargeldmenge, die für Deutschland im Jahr 2009 bei knapp 200 Mrd. Euro und für das gesamte Eurosystem auf ca. 800 Mrd. Euro ausgewiesen wird.

Es steht die berechtigte Frage im Raum, wie sich sowohl die Giralgeld- als auch die Bargeldmenge ausweiten konnte.

Der Zentralbank ist als einziger Institution erlaubt, Bargeld herauszugegeben, doch kann sie es selbst nicht in Umlauf bringen. Oftmals wird der Vorgang des „Herausgebens“ mit „in Umlauf bringen“ verwechselt und gleich gesetzt.

Bargeld wird meistens abgehoben auf Legitimationsbasis einer Sichteinlage. Erfolgt die Bargeldabhebungen auf Grundlage eines Dispositionskredites, so wandelt sich mit dem Überziehen des Girokontos das Gläubiger-/Schuldnerverhaltnis zwischen Bank und Kunde. (Der Kunde wird Schuldner – die Bank Gläubiger.) Im weiteren Verlauf dieser Artikelserie wird die Entstehung der Sichtguthaben technisch erläutert, doch zunächst ein Ausflug in die Vergangenheit.

Geldhistorie: Die Geldschöpfung in früheren Zeiten

Im Abbildung 2 ist der Ablauf dargestellt, der vor 1957 gültig war. Im Jahr 1957 wurde der Umbau des Bankensystems abgeschlossen. Seit dieser Neuordnung ist die Zentralbank eine Institution, die oberhalb der Geschäftsbanken angesiedelt ist.

 

Abb. 2: Geldversorgung über den Staat

Schritt 1:

Die Zentralbank übergibt Bargeld dem Staat

Schritt 2:

Der Staat bringt das Geld über Investitionen in Umlauf

Schritt 3:

Die Nichtbanken zahlen das Bargeld ein, es entstehen Sichteinlagen bei den Geschäftsbanken

Dieses klassische Bild ist auch heute noch die Basis vieler Schriften und Vorstellungen. Spätestens seit dem 1. Januar 1994 gehört dieser Weg, Geld in Umlauf zu bringen der Vergangenheit an.

 

Der Übergang von Bargeld zu Giralgeld

Seit ca. 1970 hat Giralgeld das Bargeld im Zuge der Technisierung des Zahlungsverkehrs zunehmend bei Zahlungsvorgängen abgelöst. Die Zeit der Lohntüten ging zu Ende, die Schaffung von Girokonten ermöglichte die bargeldlose Bezahlung durch Überweisungen. In den zwei Jahrzehnten von ca. 1970 bis 1990 kam es durch den technischen Fortschritt und dem Einsatz immer leistungsfähigerer Computertechnik zu weitreichenden Veränderungen im Zahlungsverkehr. Wurde früher fast ausschließlich Bargeld für Zahlungen verwendet, kam nun die Möglichkeit hinzu per Scheck (später Euroscheck), per Überweisung oder bargeldlos mit der EC- oder Kreditkarte zu bezahlen.

Diese Entwicklung wird bestätigt durch die statistischen Zeitreihen der Bundesbank und des statistischen Bundesamtes, die belegen, dass Bargeldzahlungen mehr und mehr durch unbare Zahlungen ersetzt werden. Sogar im Einzelhandel sank der Anteil von Barzahlungen im Jahr 2008 auf nur noch 58%. In vielen anderen Bereichen der Wirtschaft ist die Bezahlung mit Bargeld völlig unüblich geworden und fast kaum noch praktikabel. So wickeln Handelsunternehmen untereinander fast alle Zahlungen per Überweisung ab, ebenso sind Barzahlungen bei Mieten, Pachten und im Großhandel völlig unüblich geworden. Das gleiche gilt für Zahlungen an den Staat oder Behörden (z.B. Steuern und Bußgelder). In Schweden gibt es mittlerweile sogar Überlegungen, Bargeld gänzlich abzuschaffen und tatsächlich gibt es nur noch wenige Bereiche, in denen fast ausschließlich mit Bargeld hantiert wird: zum einen sind das kleine Einzelhandelsgeschäfte und zum anderen die Schattenwirtschaft (Schwarzgeschäfte) und kriminelle Wirtschaftsbereiche wie z. B. der Drogen- und Waffenhandel.

Kampf um die schwedische Krone - Böses Bargeld

Kommen wir zurück zum Thema der Geldschöpfung in früheren Zeiten. Seit ca. 1960 erfolgte die Gewährung von Zentralbankkrediten an die öffentliche Hand ebenfalls  zunehmend in Form von Zentralbank-Giralgeld. Mit der Überweisung auf die Konten bei Geschäftsbanken ist dann Giralgeld entstanden, das die frühere Bargeldeinzahlung abgelöst hat.

 

Abb. 3: Geldversorgung über den Staat mit Zentralbank-Giralgeld

 

Schritt 1:

Die Zentralbank bucht ZB-Giral auf das Staatskonto

Schritt 2a:

Der Staat überweist an Nichtbanken, das ZB-Giral geht auf das Zentralbankkonto einer Geschäftsbank

Schritt 2b:

Die Geschäftsbank bucht Giralgeld auf das  Geschäftskonto einer Nichtbank

Schritt 2a und 2b laufen gleichzeitig ab. Bei der Überweisung erhöht sich das Vermögen der Geschäftsbank um den überwiesenen Betrag. Die Bilanz wird ausgeglichen durch die Buchung des Giralgelds auf das Konto der Nichtbank.

Der Wechsel

In früheren Zeiten gab es noch eine weitere - recht beliebte - Möglichkeit, die Wirtschaft mit Geld zu versorgen: der sogenannte Wechsel.

Anstatt eine Rechnung sofort mit Bargeld zu bezahlen, wurde ein Wechsel ausgestellt.

Der Wechsel konnte bei einer Geschäftsbank eingereicht werden, die gegen Hinterlegung dieses Dokuments bei der Zentralbank Bargeld anfordern konnte.

Jeder Wechsel hatte eine bestimmte Laufzeit. Zum Ende der Laufzeit musste der Wechsel eingelöst werden, das mit dem Wechsel bereitgestellte Geld wurde wieder eingezogen.

 

Abb. 4: Geldversorgung mit einem Wechsel

 

Schritt1: Ein Wechsel wird bei einer Bank eingereicht

Schritt2: Die Bank wandelt den Wechsel in Zentralbankgeld, das dem Wechseleinreicher zur Verfügung steht

Der Wechsel hat die Geldmenge mit dem Einreichen bei der Zentralbank erhöht und bei Fälligkeit wieder verringert.

... wird fortgesetzt.

 

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